Mechaniken

Eine der Neuerungen, die C. H. Böhm an den von ihm als  "Waldzithern" gebauten Zistern vornahm, ist die Verwendung einer Schraubenmechanik, die er (wie Martina Rosenberger überzeugend dargelegt hat) von der Portugiesischen Gitarre adaptierte. Diese Herkunft sieht man den Mechaniken, wie sie sich heute an den meisten Böhm-Instrumenten finden lassen, nicht mehr sofort an, da Böhm seine Mechaniken in den ersten Jahren seiner Waldzither-Produktion zunehmend vereinfachte und sich dabei auch immer weiter von seinem portugiesischen Vorbild entfernte. Bei den ganz frühen Böhm-Mechaniken kann aber kein Zweifel bestehen, dass die ihre Inspiration von der Portugiesischen Gitarre erhielten.

Böhm übernahm aber offenbar nur die Idee von der Portugiesischen Gitarre und stellte seine Mechaniken von Anfang an selbst her (er ließ sie sich auch bereits am 12. August 1897 als Gebrauchsmuster schützen). Mit ihren neun gleichmäßig in einem Fächer angeordneten Schlitzen können seine Waldzither-Mechaniken auch unmöglich durch Reduktion portugiesischer Mechaniken hergestellt worden sein. Diese sind zwar ebenfalls in einem Fächer angeordnet, weisen aber immer zwei Blöcke von sechs Schrauben mit einer Lücke in der Mitte auf. Auch die gelegentlich vermutete Herkunft von der English Guitar ist auszuschließen: Die English Guitar besitzt zwar ebenfalls Schraubenmechaniken (sogenannte "Watch Key Tuners"), doch zum einen verlaufen deren Schlitze stets parallel zueinander (sie bilden also keinen Fächer) und zum anderen stehen die Schrauben nicht über, wie dies bei den frühen Böhm-Mechaniken und ihren portugiesischen Vorbildern der Fall ist; nicht selten sind die Schrauben sogar ganz in der Mechanik versenkt.

Die im Folgenden genannten Jahreszahlen sind Schätzwerte, sie dürften aber bis auf ein paar wenige Jahre genau stimmen. Die Angaben korrespondieren dabei den für die Signaturen der Böhm- Instrumente ermittelten Jahreszahlen, können aber nicht mit der gleichen Sicherheit behauptet werden: Mechaniken kann man austauschen, Schrauben erst recht. Und es ist zudem denkbar (ja nicht einmal besonders unwahrscheinlich), dass Böhm auch einmal zur selben Zeit unterschiedliche Typen von Mechaniken an seinen Instrumenten verbaut hat.

1897

Dies ist die bisher älteste bekannte Böhm-Mechanik; die Gestaltung des dazu gehörenden Instruments und sein Zettel legen nahe, dass es von 1897, also aus dem Gründungsjahr der Firma stammt. Bisher ist nur ein einziges Exemplar aufgetaucht, auf dem die D.G.R.M.-Nummer 80548 eingraviert ist, unter der C. H. Böhm den Gebrauchsmusterschutz für seine Mechaniken erhielt. Die Nähe zu den portugiesischen Mechaniken ist offensichtlich.

1897-1900

 

Die weiteren Waldzithern vor 1900 tragen die gleichen Mechaniken, nur ohne, dass hier die D.G.R.M.-Nummer eingraviert wäre. Diese frühen Mechaniken werden mit zwei Stiften durch einen speziellen Befestigungsmechanismus am Kopf des Instruments befestigt.  

1901-1904

Bei den nach 1900 gebauten Instrumenten erfolgt die Befestigung der Mechaniken durch eine einfache Schraube. Im Übrigen bleibt das Design der Mechaniken unverändert; auch die Übergangsinstrumente mit dem um die Walddoline erweiterten "Musikwaaren"-Zettel tragen diese Mechaniken.

1905

Es scheint, als habe Böhm um 1905 herum das endgültige Design für seine Waldzithern gefunden; auch die Ausdifferenzierung seiner Instrumente in die Modelle 1-4 ist zu dieser Zeit abgeschlossen. Die allerersten Instrumente mit diesem Standarddesign (und dem frühen "Waldzither-Fabrik"-Zettel) haben weiterhin hohe portugiesische Schrauben, tragen nun aber Mechaniken mit einem Höcker in der Mitte, der zur Befestigung der Schraube am Kopf dient. Ein Instrument mit dem um die Walddoline erweiterten "Musikwaaren"-Zettel, das noch die kleineren Maße der frühen Böhms hat, besitzt ebenfalls eine solche Mechanik. Auch der Hamburger Konkurrent G. Becker verwendete an seinen (aus Gründen des Gebrauchsmusterschutzes "Mandolin-Zither" genannten) Waldzithern in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg Mechaniken, die sich sehr eng an dieses Design anlehnen.

1906

Böhm hat seine Mechaniken über mehrere Stufen vereinfacht, bis er bei seinem späteren Standarddesign ankam. Einige Waldzithern mit dem frühen "Waldzither-Fabrik"-Zettel haben ebenfalls Mechaniken mit einem Höcker, sie tragen nun aber vereinfachte Schrauben, die in einer Reihe angeordnet sind und nur noch zwei Ringe zum Drehen per Hand aufweisen. Instrumente mit diesem Typ Mechanik sind auch im Katalog von 1912 (und selbst noch im Katalog von 1926) abgebil det , Böhm hat hier also offensichtlich ältere Bilder weiter verwendet, auch als diese Mechaniken schon lange nicht mehr in Gebrauch waren.

1906-1911

Die meisten Instrumente mit dem frühen "Waldzither-Fabrik"-Zettel tragen, ebenso wie sämtliche Instrumente mit dem Nachfolge-Zettel, Mechaniken mit zwei asymmetrisch angeordneten Höckern. Dieses merkwürdige Design hat eine erstaunliche Erklärung: Tatsächlich hat Böhm zu dieser Zeit 10er Mechaniken hergestellt und diese dann auf neun Schlitze reduziert, indem er einen Schlitz wieder wegschnitt. Auch die Saitenhalter tragen zu dieser Zeit zehn Haken. Über den Grund hierfür kann man nur spekulieren, offensichtlich hat Böhm zumindest eine Zeitlang geplant, Instrumente mit 10 Saiten herzustellen und die dafür erforderlichen Maschinen angeschafft. (Auch die der Patentanmeldung von 1914 beigefügte Skizze zeigt übrigens ein Instrument mit 10 Saiten.) Ein einziges Instrument, das diese Mechanik mit zwei Höckern trägt, besitzt Schrauben in einer Reihe, die drei Ringe zum Drehen haben. Dies könnte ein noch früheres Stadium im Prozess der Vereinfachung darstellen, es ist aber ebenso gut möglich, dass hier ältere portugiesische Schrauben zum Einsatz kamen.

1911-1912

An einigen Instrumenten mit dem ungeschwärzten "GR. 4. 6825"-Zettel finden sich Schrauben, die eine weitere Stufe der Vereinfachung dokumentieren: Bei ihnen ist nur noch ein Ring zum Drehen vorhanden.

1913-1942

Andere Waldzithern mit dem ungeschwärzten "GR. 4. 6825"-Zettel tragen bereits die Standard-Mechaniken, wie sie von jetzt an bei allen Böhm-Instrumenten zum Einsatz kommen. Bei diesem Design ist die ursprüngliche Inspiration durch die Portugiesische Gitarre nur noch entfernt wahrzunehmen, es wurde aber seinerseits Vorbild für die in den 1920er und 1930er Jahren im Vogtland gebauten Waldzithern mit Fächermechaniken wie auch für die bekannten "Plückthun"- Waldzithern, die in dieser Zeit massenhaft im Ruhrgebiet und in Westfalen vertrieben wurden.

Nach 1945 GEWA-Mechaniken

Die ersten GEWA-Waldzithern weisen noch echte Böhm-Mechaniken auf, was vermuten lässt, dass die Firma erst einmal die Restbestände der alten Böhm-Produktion aufgebraucht hat, bevor man anfing, eigene Mechaniken herzustellen (oder von woanders dazuzukaufen). An GEWA-Instrumenten mit dem späteren Zettel (ohne Verweis auf die Walddoline) finden sich hingegen keine Original-mechaniken von Böhm mehr. Drei Typen von GEWA-Mechaniken sind bekannt; deren Abfolge (von links nach rechts) erscheint einigermaßen sicher, wann und wie lange sie zum Einsatz kamen, lässt sich aber gegenwärtig nicht sagen. Die dritte dieser Mechaniken ist allerdings deutlich häufiger anzutreffen als die ersten beiden.